Kelims zum Abheben

Ein vermeintlich „armer Verwandter" des orientalischen Knüpfteppichs macht Karriere und gewinnt bei Liebhabern des schöneren Wohnens zunehmend an Boden: der Kelim, d.h. das Flachgewebe bzw. der Teppich ohne geknüpften Flor. Als Teppich der besonderen Art verleiht er dem Raum das gewisse Etwas, als Wandbehang sticht er gelungenste Kunstwerke aus und als Dekorationsstück über Möbeln setzt er exotische Akzente.

In den Herkunftsgebieten - zu den wichtigsten gehören Anatolien, Iran, Afghanistan und der Kaukasus - erfüllt der vielseitige Blickfang allerdings nicht nur dekorative Zwecke, sondern zahlreiche praktische Funktionen. So dient er als Bodenbelag oder Bettdecke, Kissen oder Kameldecke, Sattel- oder Salztasche, Reis- oder Rucksack, Vorhang oder Vorratsbehältnis - und natürlich auch als religiöses Requisit. Die Gebetsteppiche haben, ungeachtet ihres Ursprungslandes, alle eines gemeinsam: die „Mihrab", eine Nachbildung der in Moscheen vorhandenen Gebetsnische, die die Richtung nach Mekka anzeigt.

Eine kleine Auswahl unserer Kelims

Objektbild:
Teppich:
Kelim Afghan alt
Art:
Afghan
Herkunft:
Afghanistan
Größe:
330 x 187 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Azeri
Art:
Azeri
Herkunft:
Kaukasus
Größe:
310 x 170 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Ghashghai
Art:
Gashghai
Herkunft:
Persien
Größe:
270 x 170 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Jajim
Art:
Jajim
Herkunft:
Persien
Größe:
303 x 168 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Kaukase
Art:
Kaukase
Herkunft:
Kaukasus
Größe:
245 x 164 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Kuba alt
Art:
Kuba
Herkunft:
Kaukasus
Größe:
345 x 207 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Senneh
Art:
Senneh
Herkunft:
Persien
Größe:
245 x 220 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Sumakh alt
Art:
Sumakh
Herkunft:
Kaukasus
Größe:
310 x 167 cm
Objektbild:
Teppich:
Kelim Sumakh alt
Art:
Sumakh
Herkunft:
Kaukasus
Größe:
400 x 218 cm

Eine kaukasische Laus als Blutspender

Das Verflechten von Pflanzenfasern zu Matten und Decken, das beispielsweise dem primären Bedürfnis des Menschen nach Schutzvor der Witterung diente, kann bis in die Altsteinzeit zurückverfolgt werden. Mit der Domestizierung von Schafen, Ziegen u.a. setzte um 8000 v.Chr. das Verweben tierischer Wolle ein. Eine besondere Rolle spielte die Webkunst seit der Antike im Kaukasus. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass dort sowohl Schafe mit erlesener Fellbeschaffenheit beheimatet sind als auch die Karminrot-Spender. Dank der Cochenille-Schildlaus lässt sich Wolle in einem unvergleichlichen

Rot einfärben, von dem schon Herodot (um 485 bis 425 v. Chr.) in höchsten Tönen schwärmte. Er betonte, dass diese Farbe ihre Leuchtkraft weder durch Waschen noch durch Licht verliere, als sei „sie von Anfang an ein Bestandteil der Wolle".

Tier mit eingebauter Vorratskammer

Der wichtigste Wolllieferant in Innerasien ist seit jeher das Hausschaf, dessen Fellqualität ausschließlich von Weideland und Wetter abhängt.

Die Rasse der Fettschwanzschafe - mit bis zu vierzig Pfund schwerem Steiß, der das Tier während der Trockenzeit erhält! - ist für ihr besonders langes und festes Fell berühmt (Die Argonauten unter der Führung von Jason suchten das Goldene Vlies sicher nicht umsonst in der Heimat dieser Widder). Das Klima in den Bergen des Kaukasus garantiert ein wesentlich feineres und seidigeres Fell als das der heißen, staubigen Tiefebenen. Neben dem Langschwanzschaf aus den Grenzgebieten Südafghanistans und dem Fleischschaf Turkestans liefern Ziegen, Pferde und Kamele Kelim-Materialien. Pferdehaar beispielsweise ist oftmals in Taschentroddeln und -quasten zu finden, Ziegenhaar in den Seitenrändern der Flachgewebe und Kamelhaar in äußerst feinen Erzeugnissen. Für die Kette feiner Kelims verarbeitet man teils auch weiße Baumwolle, die Muster und Farben besonders wirkungsvoll zur Geltung bringt.

Sparanlage ohne Flor

Als zweckmäßiges und dekoratives Wohnutensil, das sich leicht transportieren lässt, spielt der Kelim bei den Völkern des Mittleren Ostens und Asiens schon seit langem eine bedeutende Rolle. Bis ins 20. Jahrhundert hinein konnten sich viele Stammesvölker ihre Unabhängigkeit in der Webkunst erhalten, da sie über die Tierhaare ebenso verfügten wie über die Pflanzen und Mixturen zum Färben der Wolle und natürlich das Holz zum Zimmern der Webrahmen.

Die Vielfalt der Farben und traditionellen Muster machten die nützlichen Flachgewebe zu einer dekorativen Wertanlage. Sie waren wichtiger Bestandteil des Familienbesitzes, der in Krisenzeiten gegen Getreide oder die jeweils handelsübliche Währung eingetauscht werden konnte.

Mitgift in den Fingerspitzen

Selbstverständlich gehörten sie wie Weideland und Juwelen zur Aussteuer. Gemäß dem streng islamischen Lebensstil der Nomaden und ihrem Hochzeitsritual mussten traditionsreiche Kelims innerhalb der Familie weitergereicht werden. Da Umfang und Qualität der Mitgift die Stellung der Familie verdeutlichten, investierte ein junges Mädchen in der Vergangenheit viel Zeit und Kreativität in die Anfertigung von Kelims und Textilien. Im Übrigen bestimmten u.a. seine Knüpffertigkeiten den Brautpreis. Trotz umfassender gesellschaftlicher und politischer Umwälzungen, die die überkommene Lebensweise der sesshaften und nomadischen Volksstämme Asien bedrohen, werden weiterhin Kelims produziert. Da die traditionelle Web- und Färbekunst jedoch nur noch in schwer zugänglichen Gebieten praktiziert wird, reduziert sich die Zahl der ursprünglichen Stammeskelims allerdings drastisch. Seine Zweckmäßigkeit und kulturelle Bedeutung wurden inzwischen weitgehend von wirtschaftlichem Profitdenken verdrängt, deshalb ist der Erwerb eines „echten", ursprünglichen Kelims heute wieder eine Wertanlage.